Panoramablick auf das BodenQI-Pilotprojekt Chamblioux-Bertigny, das in der Freiburger Agglomeration zwischen den Gemeinden Freiburg, Givisiez, Granges-Paccot und Villars-sur-Glâne liegt.

© Google Maps

Eine Schweizer Premiere: die Bodenqualität im Fokus der Entwicklung eines neuen urbanen Zentrums in der Agglomeration Freiburg

In den nächsten Jahrzehnten wird in der Agglomeration Freiburg ein ehrgeiziges Raumplanungsprojekt umgesetzt. Neben der Überdeckung der Autobahn A12 im Gebiet Chamblioux-Bertigny, wird ein neues städtisches Zentrum geplant. Das übergeordnete Ziel des Pilotprojekts zum Bodenqualitätsindex besteht darin, die Bodenfunktionen bei Entscheidungen zu Konzeptgestaltung und Planung des Sektors sowie während der Bauphasen zu berücksichtigen. Die Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt, die Gemeinden Freiburg, Granges-Paccot, Givisiez und Villars-sur-Glâne, die Burgergemeinde der Stadt Freiburg und die Freiburgischen Verkehrsbetriebe gehen im Bereich der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung innovative Wege.

Kontext

Der Sektor Chamblioux-Bertigny liegt im Herzen der Freiburger Agglomeration und liegt auf dem Gebiet der Gemeinden Freiburg, Givisiez, Granges-Paccot und Villars-sur-Glâne. Der Projektperimeter erstreckt sich über eine Fläche von ca. 80 ha und wird von der Autobahn A12 zwischen Chamblioux und Bertigny durchquert. Die Fläche besteht aus sehr grossen landwirtschaftlich genutzten Parzellen und aus unbebauten Parzellen einer Bauzone. Die meisten dieser Parzellen sind öffentliches oder halb-öffentliches Eigentum.

Das Gebiet Chamblioux-Bertigny ist Teil eines umfangreichen Stadtentwicklungsprojekts, das von der Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt des Staats Freiburg (RIMU) und ihren verschiedenen Abteilungen geleitet wird. Ihre ehrgeizigen Bestrebungen im Bereich der Nachhaltigkeit und ihre Anliegen in Bezug auf Bodenschutz und Bodenaufwertung haben zur Lancierung dieses in der Schweiz einzigartigen Pilotprojekts geführt.

Visualisierung des Perimeters des BodenQI-Pilotprojekts Chamblioux-Bertigny, das sich in der Freiburger Agglomeration zwischen den Gemeinden Freiburg, Givisiez, Granges-Paccot und Villars-sur-Glâne befindet.

© Schweizerische Eidgenossenschaft

Im Frühjahr 2015 bekannte sich der «Grosse Rat» einstimmig zum Projekt der Autobahnüberdeckung. Diese Entscheidung löste eine umfassende Auseinandersetzung zur Zukunft des angrenzenden Sektors aus. Ein Mobilitätskonzept, Arbeitszonen, öffentliche Einrichtungen, Wohnraum und Grünflächen standen dabei im Zentrum. Im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs wurden durch Studienaufträge verschiedene Entwicklungsvarianten untersucht. Darauf basierend konnten mehrere übergeordnete Ziele für das Areal formuliert werden: Das neue urbane Zentrum soll in einer gesunden Umgebung entstehen, in der Landschaft und Grünflächen dafür sorgen, dass die Dienstleistungen der Natur erhalten bleiben. Darauffolgend wurden ein Leitkonzept für Chamblioux-Bertigny sowie ein Aktionsplan erstellt.

Das Fachgremium für Städtebau und Landschaft präsentiert in seiner Vision drei Kernelemente für den Sektor: einen «Gesundheits- und Arbeitspol» in den Bereichen des Kantonsspitals und der Gewerbezone von Bertigny, und den Pol «Jura-Chassotte» mit gemischter Nutzung, sowie einem Agglomerationspark, der eine natürliche Verbindung zwischen der umgebenden Landschaft und den bestehenden Quartieren herstellt. Das Vorgehen richtet sich nach den Anforderungen des kantonalen Richtplans, der eine starke Verdichtung der Freiburger Agglomeration vorsieht.

Die öffentliche Auflage des Projekts zur Überdeckung der Autobahn ist für die zweite Hälfte des Jahres 2023 geplant, wobei der Baubeginn für 2028 angestrebt wird. Die Fertigstellung der künftigen Quartiere, Infrastruktur und Anlagen erfolgt gestaffelt zwischen 2050 und 2070.

Das Piloprojekt zum BodenQI wurde im Anschluss an den Prozess der Studienaufträge von sanu durabilitas initiiert. Dem Erhalt und der Sanierung von Böden wurden im ursprünglichen Leitkonzept keine Priorität zugeschrieben. Die Betonung der Nachhaltigkeit des Projekts hat jedoch indirekt auf eine nachhaltige Bodennutzung.

© CCSols et Thilo Dürr-Auster du Service de l’environnement du canton de Fribourg (Sen)

Übergeordnetes Ziel

Das Besondere an diesem Pilotprojekt ist, dass es bei der Entstehung eines urbanen Zentrums schon im Vorfeld von Entscheidungen in der Planung, Gestaltung und Bau Einfluss nehmen kann. Denn der Prozess der Interessenabwägung und Schwerpunktsetzung bestimmt die zukünftige Qualität der Böden im Projektgebiet. In diesem Pilotprojekt wird nachhaltige Bodenbewirtschaftung nicht wie bisher darauf reduziert, die Auswirkungen von Maschinen während der Bauarbeiten zu minimieren.

Die RIMU formulierte deshalb das übergeordnete Ziel, Bodenfunktionen so früh wie möglich im Entscheidungsprozess des Projekts zu berücksichtigen. In der aktuellen Projektphase bedeutet dies insbesondere, auf die richtige Formulierung der Ausschreibungen und Pflichtenhefte zu achten, die sich an die Unternehmen und die Teilnehmenden der verschiedenen Wettbewerbe richten, welche im Rahmen der Planung des «Gesundheits- und Arbeitspols», des Pols «Jura-Chassotte» und des Agglomerationsparks durchgeführt werden.

Ansatz

An der Ausarbeitung des Pilotprojekts waren seit den ersten Diskussionen die RIMU, das Amt für Umwelt des Staats Freiburg, die Hochschule für Technik und Architektur Freiburg und sanu durabilitas beteiligt. Nach der Beurteilung der Herausforderungen, Bedürfnisse und verfügbaren Bodendaten wurde schnell klar, dass das KOBO mit der Kartierung des Sektors beauftragt werden soll.

Im Anschluss daran wurde eine multidisziplinäre Boden-Begleitgruppe gebildet. Ihr Ziel: Das Pilotprojekt koordinieren und sicherstellen, dass die Böden in den verschiedenen Projektphasen berücksichtigt werden. Ihre Arbeit besteht darin, den Bedarf der verschiedenen Interessengruppen (Architekten, Landschaftsplanerinnen, Abgeordnete auf kommunaler und kantonaler Ebene usw.) bezüglich Bodeninformationen zu ermitteln und diese Informationen verständlich durch das Instrument des Bodenqualitätsindexes zu vermitteln.

Feldkampagne von CCsols während des Pilotprojekts in Chamblioux-Bertigny zur Erstellung von Eigenschafts- und Funktionskarten.
© CCSols

Bei der Finanzierung stützte sich der Staat Freiburg auf seine Strategie «Nachhaltige Entwicklung». Die Zielvorgabe 15.2 «Langfristige Erhaltung der Bodenfunktionen und Wiederherstellung degradierter Böden» und die entsprechenden Massnahmen ermöglichten die Bereitstellung eines über drei Jahre (2021 bis 2023) verteilten Budgets für den Start des Pilotprojekts.

Resultate (Stand April 2023)

Im Februar 2022 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Ämter der RIMU, des KOBO, des Bildungszentrums Grangeneuve, der HTA-FR, von «Région Morges» und von sanu durabilitas an einem runden Tisch, um Handlungsrichtlinien für das Pilotprojekt fest zu legen. Auf der Grundlage der Diskussionen verfasste das Büro urbaplan einen Leitfaden «Nachhaltige Bodenbewirtschaftung» für den Sektor Chamblioux-Bertigny. Für jeden Pol (Teilsektor) wurde eine Reihe von Vorhaben formuliert.

Im Zusammenhang mit der Autobahnüberdeckung wird beabsichtigt, neue Böden zu schaffen, welche Lebensraum- und Regulierungsfunktion erfüllen können. Die Böden im «Gesundheits- und Arbeitspol» sollen ihr Potenzial zur Wasserreinigung und -rückhaltung sowie zur Regulierung des Mikroklimas behalten. Schliesslich soll der Agglomerationspark Lebensraum- und Regulierungsfunktionen (Wasserrückhaltung, Kohlenstoffspeicherung usw.) sichern. Ausserdem sollte das Areal weiter landwirtschaftlich bewirtschaftet werden (Produktionsfunktion).

Weiter empfahlen die Teilnehmenden des runden Tisches die Bildung einer multidisziplinären Boden-Begleitgruppe. Der auf Französisch verfasste Leitfaden wurde später von sanu durabilitas ins Deutsche übersetzt.

Karte, die während des IQSols-Pilotprojekts Chamblioux-Bertigny im Kanton Freiburg entwickelt wurde und die nominale Kühlfunktion betrifft.

Nach einer zweimonatigen Feldarbeit im Spätsommer 2021 analysierte das KOBO die Proben und erstellte anschliessend Eigenschafts- und Funktionskarten. Die Proben wurden bis zu einer Tiefe von 1,50 m entnommen, um die Mächtigkeit der Horizonte, die Körnung, den Säuregrad sowie den Gehalt an organischer Substanz und Karbonaten zu bestimmen. Daraus wurden 194 Karten zu den Bodeneigenschaften in verschiedenen Tiefen erstellt, um schliesslich eine Vorauswahl an thematischen Karten treffen zu können. Die Boden-Begleitgruppe hat folgende Parameter als prioritär eingestuft: Wasserhaushalt, Wasserrückhaltung (nutzbare Feldkapazität), Oberflächenabfluss/Durchlässigkeit (hydraulische Leitfähigkeit bei Sättigung), Klimaregulationspotenzial, Mächtigkeit der organischen (Ah) bzw. mineralischen (B) Horizonte, pflanzennutzbare Gründigkeit und Gehalt an organischer Substanz.

Die Informationen der verschiedenen Karten werden in die Überlegungen zur Entwicklung der urbanen Pole und des Agglomerationsparks einfliessen sowie die Vorhaben bezüglich Bodenbewirtschaftung bereichern. Die BodenQI, die auf der Grundlage dieser Karten entwickelt werden, werden in die verschiedenen Planungsverfahren der einzelnen Sektoren einfliessen.

Die nun folgenden Ausschreibungen und Pflichtenhefte können von den gewonnenen Erkenntnissen profitieren:

  •  Pflichtenheft für den städtebaulichen Wettbewerb für die Studienaufträge des «Gesundheits- und Arbeitspols» zwischen 2023-2024;
  • Pflichtenheft für den Landschaftsarchitekturwettbewerb für den Agglomerationspark zwischen 2024-2025;
  • Pflichtenheft für den Architekturwettbewerb für das neue Kantonsspital ab 2025;
  • Ausschreibung für die Realisierung der Autobahnüberdeckung Chamblioux-Bertigny ab 2025/2026

Kontakt

Trägerschaft: Staat Freiburg, Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt (RIMU)

Finanzierung: Staat Freiburg, Direktion für Raumentwicklung, Infrastruktur, Mobilität und Umwelt (RIMU), Gemeinden Freiburg, Granges-Paccot, Givisiez und Villars-sur-Glâne, Burgergemeinde der Stadt Freiburg, Freiburgische Verkehrsbetriebe (TPF)

Kontaktpersonen: Emmanuel Dénervaud (Generalsekretär des RIMU) und Thilo Dürr-Auster (Amt für Umwelt, AfU)

Partnerschaften: Kompetenzzentrum Boden (KOBO) und die Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HTA-FR)

Mandatierung: urbaplan sa und Archival

Initiantin und Begleitung: sanu durabilitas

Bodenproben, die von CCsols während des Pilotprojekts in Chamblioux-Bertigny gesammelt wurden, um Karten von Eigenschaften und Funktionen zu erstellen.
© CCSols
Gepostet am: 22 August 2023

teile dieses Pilotprojekt!

News