Panoramablick auf die Region Morges, Teilnehmerin am Ablauf des Pilotprojekts für die Verwendung von IQsol bei Raumplanungsentscheidungen.

© Région Morges

Die Region um die Stadt Morges, in der das Pilotprojekt durchgeführt wird, steht unter starkem Druck.

Zusammenfassung

Zersiedelung und Verdichtung nach Innen erschweren den Erhalt von Bodenqualität. Lokale Akteurinnen und Akteure der Raumplanung haben keine Instrumente, um die Bodenfunktionen bei ihren Planungen zu berücksichtigen.

Diese schwierige Ausgangslage veranlasste den Gemeindeverband „Région Morges“ im Jahr 2020 ein Pilotprojekt zum Bodenqualitätsindex zu initiieren. Ziel ist es, ein Instrument zu entwickeln, welches einfach und übersichtlich Informationen zur Bodenqualität zur Verfügung stellt. Das Pilotprojekt wird finanziell vom Kanton Waadt unterstützt; drei Westschweizer Fachhochschulen sind zur technischen Unterstützung mandatiert (HEIG-VD, HEPIA Genf, HTA-FR). Bis zum Ende der zweiten Projektphase im Juni 2023, konnten drei Tools entwickelt werden:

  • ein Tool, das mittels vorhandener Daten Hinweiskarten der Bodenfunktionen für ein grösseres Gebiet generieren kann,
  • ein Anpassungstool, mit welchem für einen bestimmten Perimeter die Bodeninformationen manuell angepasst und verfeinert werden können,
  • ein Simulationstool, mit welchem die Auswirkungen eines Raumplanungsprojektes auf die Bodenqualität dargestellt werden kann.

Am Ende der Phase 2 waren drei Bodenfunktionen implementiert: (i) Funktion der Regulierung des Oberflächenabflusses, (ii) Funktion der Produktion von Biomasse und (iii) Lebensraumfunktion.

Die Hinweiskarten der Bodenfunktionen sind über das Geoportal CartoJuraLéman zugänglich.

Auf der Website der „Région Morges“ sind die verschiedenen Projektphasen detailliert beschrieben. Tätigkeitsberichte der mandatierten Fachhochschulen und Handbücher zur Benutzung der Tools stehen ebenfalls zum Download zur Verfügung.

Kontext

Die „Région Morges“ ist Teil des grossen Ballungsgebiets Lausanne-Morges und liegt im Westen der Stadt Lausanne am Ufer des Genfersees. Verteilt auf zehn Gemeinden (Denges, Echandens, Echichens, Lonay, Lully, Lussy-sur-Morges, Morges, Préverenges, Saint-Prex und Tolochenaz) erstreckt sich das Gebiet des Gemeindeverbandes Morges auf 39,71 km2 und beherbergt 41’825 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand 2022). Die Grössen der Gemeinden variieren zwischen 17’535 Personen in Morges und 730 Personen in Lussy-sur-Morges. Die Gemeinden haben sich zum Gemeindeverband «Région Morges» zusammengeschlossen, um die Entwicklung ihrer Region gemeinsam zu gestalten und insbesondere um ihre Interessen im Agglomerationsprogramm Lausanne-Morges (PALM) zu vertreten. Der Verband entwickelt zudem Strategien für eine nachhaltige Raumentwicklung und unterstützt die Gemeinden bei der Umsetzung.

Ablauf des Pilotprojekts zur Verwendung des IQsols bei Raumplanungsentscheidungen in der Region Morges.
© Région Morges

Die starke wirtschaftliche und demographische Entwicklung im «Arc Lémanique» übt grossen Druck auf die räumliche Infrastruktur der Region Morges aus. Die Vorgabe des Raumplanungsgesetztes zur Innenentwicklung, welche in der Strategie des PALM (Projet d’agglomération Lausanne-Morges) übernommen wurde, trägt zusätzlich dazu bei.

Mit einer Verdichtung des «kompakten Perimeters» kann die Zersiedlung im vorstädtischen Gebiet gebremst werden. Dadurch werden angrenzende Agrarflächen erhalten und der Druck auf die natürliche Umgebung und die Landschaft reduziert. Im Gegenzug führt Verdichtung zur Versieglung wertvoller Böden innerhalb der Bauzonen. Diese Böden bieten der Allgemeinheit allerdings wichtige Leistungen.

Agglomerationen stehen vor dringlichen Herausforderungen bei der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung, welche aufgrund fehlender Instrumente aber nicht angegangen werden können. Raumplanern und Entscheidungsträgerinnen fehlt es an nötigen Informationen, um die Bodenqualität in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Aus diesem Grund hat sich der Gemeindeverband Morges dazu entschlossen, die Entwicklung und Anwendung eines Bodenqualitätsindexes zu unterstützen.

Im Zentrum steht dabei die Frage, wie die Ökosystemleistungen der Böden geschützt und die Versiegelung im Siedlungsgebiet begrenzt werden können. Daraus leiten sich drei Herausforderungen ab:

  • Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen innerhalb der Bauzonen des «kompakten Perimeters» lastet ein Baudruck. Wie kann die Entwicklung der Agglomeration gestaltet werden und gleichzeitig möglichst viele Ökosystemleistungen, welche durch diese Flächen erbracht werden, erhalten bleiben?
  • Die Böden innerhalb des «kompakten Perimeters» sind grossem Druck durch die Verstädterung ausgesetzt. Welche geeigneten Werkzeuge braucht es, um Böden von guter Qualität innerhalb der Bauzonen zu schützen?
  • Bau- und Raumplanungsprojekte führen oft zu Bodendegradierung oder sogar zu Versieglung. Wie können die Bodenfunktionen geplanter Bauprojekte berücksichtigt und in Wert gesetzt werden?

Ansatz

Das Pilotprojekt der Region Morges stützte sich bei der Erstellung seines Konzeptes auf eine Reihe von Feststellungen.

  • Um einen Bodenqualitätsindex zu implementieren, werden direkte und indirekte Bodeninformationen des gesamten Gebiets benötigt.
  • Die verfügbaren Bodendaten reichen nicht aus, um städtische Böden zu bewerten. Die Kenntnisse über die Qualität landwirtschaftlich genutzter Böden sind oft lückenhaft.
  • Das verfügbare Budget ermöglichte es kurzfristig nicht, die Böden flächendeckend zu kartographieren.
  • Das Agglomerationsgebiet unterliegt ständigen Veränderungen, weshalb Bodenkartierungen regelmässig erneuert werden müssen.

Damit alle Arten von Böden berücksichtigt werden können (Landwirtschafts-, Siedlungs-, Waldböden etc.), wurde entschieden , dass die Daten zur Bodenqualität auf einem Prognosemodell basieren sollen, das bereits verfügbaren Daten integriert (Bodendaten, Geodaten, Orthophotos). So konnte sichergestellt werden, dass die Hinweiskarte zur Bodenqualität in einem Jahr entwickelt werden kann. Folglich genüget diese Karte nicht den höchsten Ansprüchen und muss in den weiteren Projektphasen verbessert werden.

In jeder Projektphase wurden drei Workshops organisiert. Dabei kamen Gemeindeabgeordnete, Fachpersonen von Gemeinden, verschiedener Ämter des Kantons Waadt und den teilnehmenden Fachhochschulen sowie Expertinnen und Experten von sanu durabilitas zusammen. Die Workshops boten die Gelegenheit, Diskussionen zu den laufenden Entwicklungen anzustossen und die nächsten Schritte zu besprechen.

Treffen einer Gruppe von Akteuren in Waadt, darunter Gemeindevertreter/innen aus der Region Morges, Vertreter/innen der Kantone Waadt (DGE, DGTL, DGAV) und Freiburg (SEn) sowie der Fachhochschulen (HEIG-VD, HEPIA-GE, HEIA-FR), für den letzten Workshop der Phase 2 des Pilotprojekts IQSols.
© sanu durabilitas 2022

Ziele Phase 1

In der ersten Phase des Pilotprojekts von 2020 bis 2021, sollte eine erste Hinweiskarte der Bodenqualität für die Funktion „Regulierung des Oberflächenabflusses“ erstellt werden (auch Hochwasserregulierung genannt), sowohl für das bebaute Gebiet, als auch für den öffentlichen Raum, landwirtschaftliche Flächen, Wald und die natürliche Umwelt. Die Anforderungen an die Karte lauteten wie folgt. Sie muss …

    1. … für Entscheidungsträger/innen der Raumplanung einfach interpretierbar sein,
    2. … eine regelmässige Überprüfung der Bodenqualitätsveränderungen auf regionaler oder kommunaler Ebene oder für ein bestimmtes Gebiet ermöglichen,
    3. … Grundlagen für Massnahmen zum Schutz der Bodenqualität liefern.

Panoramablick auf die Region Morges, Teilnehmerin am Ablauf des Pilotprojekts für die Verwendung von IQsol bei Raumplanungsentscheidungen.
© Région Morges

Vorgehen Phase 1

Das Projektgebiet wurde anhand der Bodennutzung (und der Nutzung des Untergrunds) in kleinere Gebietseinheiten aufgeteilt, um eine Karte im Massstab 1:5000 (Einheiten zwischen 1 m2 und 1 ha) oder genauer zu erstellen. Als Basis für die Fernerkundung dienten die Daten von SWISSIMAGE RS 2017 (Orthophotos, DTM, DEM). Anhand der vorhandenen Daten wurde vier Bodeneigenschaften geschätzt: Durchlässigkeit der Oberflächen, pflanzennutzbare Gründigkeit, Porosität, Gehalt an organischer Substanz. Anschliessend wurden sie bewertet: von 1 (nicht vorhanden) bis 6 (sehr gut). Jeder Schätzung wurde zudem eine Note für die Zuverlässigkeit zugewiesen.

Resultate Phase 1

Zwei innovative Weiterentwicklungen sind hervorzuheben: (i) die Zonen für den Bodenqualitätsindex konnten aufgrund bestehender Boden- und Fernerkundungsdaten abgegrenzt werden, (ii) Der Bodenqualitätsindex wurde für alle Zonen mit einer Bewertung der Verlässlichkeit ergänzt, die auf bestehenden und kostengünstigen Daten beruht und aktualisierbar ist.

Mit dem kartografischen BodenQI-Tool können für das gesamte Gebiet Hinweiskarten für die Funktion der Regulierung des Oberflächenabflusses (z. T. Hochwasserregulierung genannt) generiert werden. Das Tool ist sehr anpassungsfähig. Auch ohne vollständige Bodendaten kann eine Bewertung der Bodenqualität vorgenommen werden. Zusätzliche Daten können jederzeit hinzugefügt werden. Das Werkzeug kann auch auf andere Gebiete angewendet werden, sofern schweizweite GIS-Informationsebenen verwendet werden können ­ falls nötig mit wenigen Anpassungen. Das hängt davon ab, ob lokale Informationen oder zusätzliche Daten vorhanden sind. Mit Hilfe des Tools kann die Bodenqualität rasch und einfach visualisiert und beziffert werden.

Die kompletten Berichte der Fachhochschulen HEIG-VD, HEPIA Genf und HTA-FR sind auf der Website von „Région Morges“ verfügbar.

Ziele Phase 2

Die zweite Phase des Pilotprojektes in der „Région Morges“ fand im Zeitraum zwischen Februar 2022 und Juni 2023 statt. Die Ziele dieser Phase waren:

  • Evaluieren, welchen Beitrag die Hinweiskarten zur Bodenqualität im Rahmen von Raumplanungsprojekten leisten können und Prozesse identifizieren, mit denen die Karten angepasst werden können, um sie nutzbar zu machen.
  • Die Handlungsspielräume des Gemeinwesens für den Schutz und die Wiederherstellung von Bodenfunktionen in Raumplanungsprojekten ermitteln.
  • Das Fachpersonal und die politischen Vertreter/innen der Partnergemeinden sensibilisieren.

Resultate Phase 2

Auf Grundlage der Erkenntnisse der ersten Phase, konnten zwei neue Bodenfunktionen für die Erstellung von Hinweiskarten integriert werden:

  1. Funktion der Produktion von Biomasse, d. h. die Fähigkeit des Bodens das Pflanzenwachstum zu fördern.
  2. Lebensraumfunktion, d. h. die Fähigkeit des Bodens Lebensraum und Nahrung für die Bodenlebewesen zu bieten.

Die Hinweiskarten basieren ebenfalls auf der Bewertung der Bodeneigenschaften in jeder Gebietseinheit und verwenden Pedotransferfunktionen, um die Bodenqualität zu bewerten. Da die Messungen meist auf indirekten Daten und Experteneinschätzungen beruhen, wird für jede Funktionskarte die Zuverlässigkeit der Vorhersagen auf einer zusätzlichen Karte dargestellt.

Prozess zur Berücksichtigung der Eigenschaften und Funktionen des Bodens in einem Planungsprojekt. Beispiel des Pilotprojekts BodenQI für die Region Morges.

Um die Bewertung auf der Skala eines Projektperimeters präziser und zuverlässiger zu machen, wurden zwei zusätzliche Werkzeuge entwickelt. Diese tragen auch zur Entscheidungsfindung bei Raumplanungsprojekten bei:

  1. Ein Anpassungstool, welches dazu dient, einen Projektperimeter festzulegen, Daten aus den Hinweiskarten zu extrahieren, Daten manuell zu bearbeiten und eine Karte im Massstab von mindestens 1:2000 zu erstellen.
  2. Ein Simulationstool, welches die Auswirkungen auf die Bodenfunktionen durch ein Raumplanungsprojekt simulieren kann. Das Resultat ist eine Visualisierung der Gewinne oder Verluste für jede Bodenfunktion.

Genau wie das Tool zur Erstellung der Hinweiskarten sind auch diese beiden Tools sehr flexibel gestaltet und erlauben iteratives Arbeiten. Raumplanerinnen und Raumplaner können damit die Bodenqualität bereits im Vorfeld von Entscheidungsprozessen in die Planung integrieren. Die Tools sind unter Berücksichtigung der Nutzungsbedingungen frei zugänglich.

Der Gemeindeverband „Région Morges“ wird die Tools in der Zukunft in den Planungs- und Bauprozessen kontinuierlich testen.

Treffen einer Gruppe von Akteuren in Waadt, darunter Gemeindevertreter/innen aus der Region Morges, Vertreter/innen der Kantone Waadt (DGE, DGTL, DGAV) und Freiburg (SEn) sowie der Fachhochschulen (HEIG-VD, HEPIA-GE, HEIA-FR), für den letzten Workshop der Phase 2 des Pilotprojekts IQSols.
© sanu durabilitas 2022

Kontakt

Projektträgerschaft: Région Morges
Finanzierung: Kanton Waadt (Amt für Umwelt (DGE), Amt für Raumordnung und Wohnungswesen (DGTL))
Mandatierung: Fachhochschulen der Kantone Genf, Freiburg und Waadt (HEPIA, HEIA-FR, HEIG-VD)
Partnergemeinden: Echandens, Lonay, Lully, Lussy-sur-Morges, Morges, Préverenges
Kontaktperson: Guillaume Raymondon (Gemeindeverband Morges)
Initiantin und Begleitung: sanu durabilitas

Gepostet am: 5 September 2023

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