Neues Pilotprojekt in Witzwil (BE)

Im Rahmen des Pilotprojekts sind auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) Witzwil (BE) 600 Hektar Boden untersucht und kartiert worden. Diese Daten liefern in einem ersten Schritt Informationen zum Zustand der Böden in diesem Bereich des Grossen Mooses. Das Instrument des Bodenqualitätsindexes soll in einem nächsten Schritt bei den Entscheidungen für eine standortangepasste Bodennutzung helfen.

Luftaufnahme der Strafanstalt Witzwil im Kanton Bern im Rahmen eines neuen Pilotprojekts für BodenQI.
Die Jungendvollzugsanstalt (JVA) Witzwil im Kanton Bern von oben.

© JVA Witzwil

Trägerin des Pilotprojekts ist die Fachstelle Boden des Kantons Bern. Zusammen mit der JVA Witzwil will sie den Bodenqualitätsindex im Spannungsfeld von Raumplanung, Biodiversität, Klimawandel und optimaler Nutzung landwirtschaftlicher Flächen testen.

Das Kompetenzzentrum Boden (KOBO) und die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) unterstützen den Kanton Bern bei der Kartierung und Bestimmung der Bodenfunktionen. Diese dienen als Grundlage zur Einschätzung der Bodenqualität. sanu durabilitas hat das Projekt mitinitiiert und begleitet die weiteren Schritte.

Kontext

Die JVA Witzwil befindet sich im Grossen Moos im Berner Seeland. Durch die Entwässerung des Moores im Zuge der Juragewässerkorrektionen im 19. und 20. Jahrhundert ist es im Laufe der Zeit zu einer Torfsackung gekommen: Die Torfschicht geht nach und nach verloren, wobei durch die Zersetzung von organischem Material grosse Mengen CO2 in die Atmosphäre frei gesetzt werden. Dies stellt in Hinblick auf den Klimawandel eine zusätzliche Belastung dar.

Ausserdem ist unterhalb der Torfschicht oft eine Lehmschicht zu finden, welche wenig Wasser durchlässt, und die Infiltration des Regenwassers verhindert. Dies hat negative Auswirkungen für die Landwirtschaft, da dadurch schneller Staunässe entsteht, die Ernteeinbussen verursacht. Die Fruchtbarkeit der Böden auf dem Gelände der JVA Witzwil ist somit gefährdet.

Über 90 % der Flächen der JVA Witzwil sind als Fruchtfolgeflächen (FFF) inventarisiert und Teil des FFF-Kontingents des Kantons Bern. Die neue Bewertung der Bodeneigenschaften wird zeigen, inwiefern die Flächen den Kriterien des neuen Sachplans FFF entsprechen. Da der Kanton Bern eine Mindestfläche von 82’125 ha FFF ständig bereit halten muss, sind inventarisierte FFF, welche die Kriterien nicht mehr erfüllen, eine Herausforderung für die Raumplanung auf kantonaler Ebene – denn sie müssen aufgewertet oder anderswo kompensiert werden.

Bodenaufwertung stellt zwar eine mögliche Lösung zur Wiedererstellung der Funktionen dar – doch für welche Böden es sich lohnt, kann nur mit ausreichend verfügbaren Bodeninformationen sowie einem Prozess der Interessenabwägung ermittelt werden.

Die JVA Witzwil ist zudem ein wichtiges Wasser- und Zugvogelgebiet. Wie, wo und in welchem Masse Schutzgebiete vergrössert oder qualitativ verbessert werden können, unterliegt ebenfalls einer Interessenabwägung. Im Zusammenhang mit dem Biodiversitätskonzept des Kantons Bern, das zum Ziel hat 17 % der Kantonsfläche als Schutzgebiete auszuweisen, spielt auch die ökologische Infrastruktur auf dem Gebiet der JVA Witzwil eine wichtige Rolle.

Ziele des Pilotprojektes

Dank der neu generierten Bodeninformationen können wichtige Erkenntnisse über den aktuellen Zustand des Bodens gewonnen werden, um beispielsweise abzuwägen, ob er für die landwirtschaftliche Produktion aufgewertet werden kann oder ob eine Nutzungsänderung angebracht ist. Auch die Planung der Fruchtfolge in der landwirtschaftlichen Produktion kann sich auf diese Daten berufen und mit Methoden des Precision Farming optimiert werden.

Die Ausgangslage ist kompliziert. Die unterschiedlichen Interessen von Naturschutz und landwirtschaftlicher Produktion kombiniert mit den Herausforderungen des Klimawandels verlangen nach einer breit abgestützten Interessenabwägung. Die Berechnung eines Bodenqualitätsindexes kann dafür eine wichtige Entscheidungsgrundlage liefern. Als übergeordnetes Ziel gilt, die Bodenfunktionen in ihrer Summe nicht zu schmälern.

Nächste Schritte

Das KOBO wertet die Bodeneigenschaften aus und wird die Bodenfunktionen beurteilen. Folgende Fragen sollen dabei beantwortet werden: Wie gut kann der Boden je nach Standort seine Funktionen erfüllen? Im Zentrum der Fragestellung stehen die Produktions- und Lebensraumfunktion.

Im nächsten Schritt wird auf der Grundlage der Informationen zu den Bodenfunktionen ein Bodenqualitästindex berechnet. In partizipativen Prozessen wird die Frage diskutiert, ob die Funktionen zu einem Gesamtindex zusammengefügt werden sollen oder ob die Aggregierung nur über gewissen Funktionen sinnvoll ist.

Gepostet am: 10 Mai 2023

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