Goodsoil-Strategie der Hauptstadt-Region Brüssel
Infoserie Bodenqualitätsindex – Beispiele aus dem Ausland
Die belgische Hauptstadt-Region verfolgt einen ganz eigenen Ansatz, um die Qualität ihrer Böden raumplanerisch zu berücksichtigen: Brüssel leitet seinen BodenQI (IQSBPro) nicht aus den Funktionen des Bodens, sondern direkt aus dessen Eigenschaften ab. Kann dieser Ansatz auch die Schweiz inspirieren? Antworten von François Henry, Projektmanager und Co-Leiter der Goodsoil-Strategie von Brüssel Umwelt (Interview aus dem Jahr 2022).
«IQSBPro» (Indice de Qualité des Sols Bruxellois Professionnels), so nennt sich das im Rahmen der Goodsoil-Strategie von der Umwelt- und Energieverwaltung «Brüssel Umwelt» entwickelte Instrument. Es richtet sich in erster Linie an Projektentwicklerinnen, Stadt- und Landschaftsplaner sowie an Planungsbüros. Ziel des Ansatzes: Die Bodenqualität in die Projektplanung einbeziehen und so die Grundlage für die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen erhalten.
Qualität der Ökosystemdienstleistungen
Für die Berechnung des IQSBPro werden direkt die gemessenen Bodeneigenschaften bewertet. Das arithmetische Mittel dieser Bewertung ergibt dann den Bodenqualitätsindex. Daraus kann dann die Qualität einzelne Ökosystemleistungen abgeschätzt werden.
Integration in den Planungsprozess
Wie François Henry erklärt, wurden im Rahmen der Standortentwicklung in der Hauptstadt-Region bereits mehrere Studien zum IQSBPro durchgeführt. Diese Studien betreffen unter anderem das Bewilligungsverfahren für den gemeinnützigen Wohnungsbau, Masterpläne aber auch besondere Bodennutzungspläne (« plan particulier d’affectation du sol »). Der Fachmann freut sich über diese Entwicklung: «Auch wenn es keine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung dieses Tools gibt, stellen wir fest, dass es bei Projekten der öffentlichen Hand schon fast automatisch in den Planungsprozess miteinfliesst».
Im urbanen Raum führt die Umnutzung von Brachen bzw. unbebauten Grundstücken oft zu Diskussionen. «Die Entwickler solcher Projekte sind froh nun ein Instrument zur Bestimmung der Bodenqualität zu haben. Ein solches Instrument kann als objektive Entscheidungsgrundlage dienen, um zu bestimmen, wie ein Grundstück in Zukunft genutzt werden soll», stellt François Henry fest. Die ständige Verbesserung des IQSBPro durch das Feedback von Bodenexpert/innen gewährleistet zudem, dass die berechneten Indexe repräsentativ sind, so der Experte.
Index für Bodendegradation
Der IQSBPro bietet ebenfalls Hilfestellungen im Umgang mit geschädigten Böden in Stadtparks und zeigt Wege zu deren Sanierung auf. So enthält die neueste Version des IQSBPro nun auch Indexe zur Bodendegradation. Diese erlauben es Schäden an den Böden zu lokalisieren und bei Planungen zu berücksichtigen. Degradierte Böden und deren Aufwertung sind auch in der Schweiz wichtige Themen. Bislang gibt es aber keine solchen Tools, die speziell auf die Bodendegradierung abzielen.
Derzeit wird der IQSBPro fast ausschliesslich bei Projekten der öffentlichen Hand eingesetzt und dies auf freiwilliger Basis. Brüssel Umwelt will aber grösser denken: «Wir streben an, dass das Tool breiter und systematischer eingesetzt wird. Zum Beispiel im Rahmen von Grundstücksverkäufen oder im Bewilligungsverfahren von grossen Bauvorhaben». Für die Zukunft zieht Brüssel Umwelt zudem die Idee eines Ausgleichssystems in Betracht, wie es bereits im Bundesland Hessen (Deutschland) existiert. Laut François Henry kann dies aber nur durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens für die Bewirtschaftung des Bodens bewältigt werden.
Dies entspricht der Situation in der Schweiz. Hierzulande gibt es mit Ausnahme der Fruchtfolgeflächen keinen gesetzlich verankerten Schutz der Bodenqualität in der Raumplanung. Dies zu ändern wird jedoch vom Nationalen Forschungsprogramm 68 „Nachhaltige Nutzung des Bodens“ ausdrücklich empfohlen und von der Bodenstrategie Schweiz des Bundesrates unterstützt.
Ein brauchbares Instrument entwerfen
François Henry weist auf einen weiteren Punkt hin, der auch die Expert/innen in der Schweiz beschäftigt: «Es muss sichergestellt werden, dass die Ergebnisse des IQSBPro zuverlässig und leicht zu interpretieren sind. Das Werkzeug ist technisch. Die Ergebnisse, respektive die Indexe müssen aber für alle in die Planung involvierten Person leicht zu verstehen sein.» Darüber hinaus verweist er auf die Notwendigkeit erfahrene Fachpersonen miteinzubeziehen, um Studien im Zusammenhang mit dem Bodenqualitätsindex durchführen zu können. Solche Studien bedingen Fachkenntnisse in Laborarbeit sowie technische Kapazitäten, damit die benötigten Analysen nach standardisierten Methoden durchgeführt werden können. Dieser Ansicht sind auch die Schweizer Bodenkundler/innen, welche an den von sanu durabilitas begleiteten Pilotprojekten beteiligt sind. François Henry ergänzt, dass «das Instrument zudem finanziell erschwinglich sein muss, damit die Gesamtkosten eines Projekts durch diese Voruntersuchungen nicht zu stark in die Höhe getrieben werden».
Die Bevölkerung einbeziehen
Die Goodsoil-Strategie zielt mit ihrer Initiative «Teste deinen Boden» darauf ab, auch die Bevölkerung in die Überwachung der Bodenqualität miteinzubeziehen. So lädt Brüssel Umwelt die Einwohner/innen der Hauptstadt-Region dazu ein, ihren Spaten zu ergreifen und die Bodenqualität im eignen Garten zu bestimmen. Dazu führen interessierte Personen einfacher Tests durch und machen Fotos der obersten Zentimeter ihres Bodens. Basierend darauf berechnet Brüssel Umwelt dann einen Qualitätsindex. In der Schweiz gibt es noch kein Pendant dazu, aber vielleicht lässt ja sich der eine oder andere inspirieren. Also, sind sie bereits zu graben?
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